Seminar: Ganzschriften im Deutschunterricht

Anders als es beispielsweise bei Kalendergeschichten, Balladen, Komödien oder Novellen der Fall ist, handelt es sich bei der Ganzschrift nicht um eine Textsorte mit mehr oder weniger fest umrissenen Merkmalen, sondern um ein didaktisches Konstrukt, welches beschreibt, dass ein literar-ästhetischer Text in seiner Gesamtheit zum Unterrichtsgegenstand erhoben wird. Die Bezeichnung Ganzschrift korrespondiert dabei mit dem Begriff der Langform, sodass es sich bei den eingangs erwähnten Kalendergeschichten und Balladen keineswegs, bei den Komödien und Novellen hingegen sehr wohl um Ganzschriften handelt, binden die letztgenannten Formen doch eine deutlich größere Rezeptionszeit. Mit dieser gehen wesentliche unterrichtliche Herausforderungen einher, stellt sich doch die Frage, inwiefern die Schülerinnen und Schüler bereit und in der Lage sind, umfangreiche narrative und dramatische Texte zu lesen und sich mit diesen in einem unterrichtlichen Setting über einen längeren Zeitraum zu befassen. Dass die Beschäftigung mit Ganzschriften wesentlich mehr Lese- und Unterrichtszeit bindet als beispielsweise die Auseinandersetzung mit einem Gedicht oder einer Kurzgeschichte kann nach Tilman von Brand aber auch zu einem besonderen literarischen Erleben führen. Damit dies gelingen kann, bedarf es von Seiten der Lehrenden einer hohen Planungskompetenz, die von der Auswahl geeigneter Lesestoffe bis hin zu methodischen Entscheidungen reicht. Letzteres ist insbesondere auch dann wichtig, wenn die Rahmenpläne Texte als zu lesende Ganzschriften vorschreiben und so bezüglich der Textauswahl kein Handlungsspielraum für die Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler besteht.

Der Blick auf die curricularen Rahmenbedingungen stellt somit einen Auseinandersetzungsgegenstand des Seminars dar. Hinzu kommen weitere Kriterien der Textauswahl, eine Beschäftigung mit Fragen der Voraussetzungen für das Lesen und das Unterrichten von Ganzschriften sowie ein kritischer Blick auf Unterrichtsmaterialien, die die Lehrenden bei der Planung und Durchführung von Unterricht unterstützen sollen. Exemplifiziert werden diese Aspekte dabei sowohl anhand von narrativen als auch dramatischen Langformen, weshalb eine hohe Lesebereitschaft Voraussetzung für die Teilnehme am Seminar ist.

Brand, Tilman von: Ganzschriften im Deutschunterricht. Mittelfristige Unterrichtsplanung zu Romanen, Novellen, Dramen und Graphic Novel. Kallmeyer in Verbindung mit Klett, 2020

Pfäfflin, Sabine: Auswahlkriterien für Gegenwartsliteratur im Deutschunterricht. Schneider Verlag Hohengehren, 2010

Ganzschriften, die im Seminar gelesen werden:

Ertener, Orkum: Was bisher geschah und was niemals geschehen darf. FISCHER Scherz, 2021

Fuchs, Kirsten: Mädchenmeute. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2016

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödien erster Teil. Hamburger Lesehefte 29. Hamburger Lesehefte Verlag (oder andere Textausgabe)

Herrndorf, Wolfgang: Tschick. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2015

Taylor, Thomas: Malamander. Die Geheimnisse von Eerie-on-Sea. Carl Hanser Verlag, 2020