Kommentar |
Wenn Charles Baudelaire 1860 seinem Essay über Opium und Haschisch den Titel "Les paradis artificiels", "Die künstlichen Paradiese", gibt, verknüpft er Diskurse über Rausch, Drogen und Literatur auf eine Weise, die sich schon in der Antike abzeichnet: Platon schreibt dem Dichter "Inspiration" zu und identifiziert die Schrift als "Pharmakon" – als Heilmittel, aber zugleich als Gift und Droge. Die Kulturgeschichte des Rausches und der Drogen bleibt ebenso wie die Geschichte der Literatur von diesen Zuschreibungen geprägt, wenn jeweils die Produktion von (oder die Flucht in) Fiktion, Phantasie und Phantasmen hervorgehoben wird, wenn Künstlichkeit, Simulakren und Halluzinationen als Gegenpole zu Normalität und Norm der Wirklichkeit begriffen werden. Rausch und Drogen markieren in diesem Sinn auf der Ebene von Bewusstsein und Psyche, aber auch in ihren Auswirkungen auf den Körper Abweichungen und Störungen von dem, was als ‚normal‘ vorausgesetzt wird – und das nicht erst, wenn mit dem Stichwort ‚Sucht‘ auch das Paradigma ‚Krankheit‘ aufgerufen wird.
Das Seminar wird diese und weitere Verschränkungen von Rausch, Drogen und Literatur an ausgewählten literarischen, autobiografischen und essayistischen Texten vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart untersuchen: Wie verhalten sich – auf den Ebenen von Produktion wie Rezeption – Lust, Genuss und Exzess zu Sucht, Krankheit und Kriminalisierung? Was hat dazu geführt, dass Literatur immer wieder, wie Avital Ronell schreibt, "in rechtlicher Hinsicht als Droge behandelt worden ist"? Gibt es literarische Verfahren, die für den Diskurs über Drogen kennzeichnend sind – oder die selbst wie Drogen wirken? |