| Kommentar |
Eugenische Konzeptionen einer „Verbesserung” des Menschen oder genauer seines Erbgutes entstanden im Europa des späten 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck von Industrialisierung und Kolonialismus. Damit verbunden war ein Verständnis von Biologie und Medizin als Technologien, welche auf gesellschaftliche Phänomene der Moderne und der Globalisierung naturwissenschaftliche Antworten gaben. Die Eugenik berief sich dabei etwa auf das Wissen der Evolutionsbiologie (Darwinismus), der Anthropologie (Diskurse um „Rasse”/race) der Statistik sowie der Genetik und verstand sich selbst als Wissenschaft, stand aber stets in enger Wechselbeziehung zu Medizin, staatlicher Administration und politischen Bewegungen. Sie wurde zudem durch spezifisch moderne Reinheits- und Rationalisierungsdiskurse geformt. Das Seminar wird die Entstehung der Eugenik im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, ihre Verbreitung, die Ziele verschiedener Akteure wie auch zeitgenössische und gegenwärtige Kritik mit Hilfe von Sekundärliteratur und Quellen untersuchen. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als sich die Eugenik in Deutschland radikalisierte und zusehends antisemitisch argumentierte, sowie ab 1933, als sie im Zuge der nationalsozialistischen Rassenpolitik gesetzlich implementiert und so eine Grundlage von Diskriminierung, Vernichtungskrieg und Holocaust wurde. Im Zentrum steht die Frage, auf welche Weise Wissenschaften und Politik wechselseitig Ressourcen füreinander bildeten. Auch eugenische Programme der Zwischenkriegszeit jenseits von Deutschland sowie Kontinuitäten über 1945 hinaus, etwa im Umfeld von Reproduktionsmedizin und Biotechnologien („Klondebatten”), werden thematisiert. Vorkenntnisse aus der Geschichte der Biologie oder Medizin sind nicht erforderlich, wohl aber die Bereitschaft, sich Grundwissen aus etwa Genetik, Evolutions- oder Molekularbiologie gemeinsam anzueignen.
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